Fußballtragödie von Hillsborough (2024)

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Es ist, zumindest auf dem Papier, ein ganz normales Fußballspiel. Der FC Liverpool spielt am 15. April 1989 gegen Nottingham Forest um den Einzug in das Finale des FA Cups. Es ist die gleiche Partie wie vor einem Jahr, damals schlug Liverpool Forest mit 2:1 und zog ins Finale ein. Das Spiel im Hillsborough Stadion, der Heimat von Sheffield Wednesday, ist deshalb schon seit Wochen ausverkauft. Und doch reisen viele, viele Fans auch ohne Ticket nach Sheffield, in der Hoffnung auf dem Schwarzmarkt fündig zu werden.

Auch Gary Burns hat sich an diesem Samstag auf den Weg gemacht. Der 17-Jährige hat ein Ticket für die Leppings-Lane-Tribüne hinter dem Tor, mit Freunden aus Liverpool will er das Spiel sehen. Als er gegen viertel vor zwei das Stadion erreicht, herrscht dort eine heitere Atmosphäre. Die Sonne scheint, es ist nicht zu warm. Viele LFC-Anhänger warten bereits vor den Zäunen auf den Einlass, man singt sich ein, der Schwarzmarkt blüht, berittene Polizei verfolgt gelassen die Szenerie. Vor dem Stadion werden Programmhefte verteilt. Ein Foto ist im Innenteil abgedruckt. Leppings Lane, gefüllt mit gut gelaunten Anhängern aus Liverpool, ein Bild aus dem letzten Jahr. Dazu heißt es: "Wenn Sie sich in Hillsborough umschauen, werden Sie begreifen, warum es der perfekte Ort für jede Art von großen Spielen ist."

Schon bald jedoch strömen immer mehr Fans zum Stadion, mit Tickets, ohne Tickets. Und um 14.30 Uhr drängeln sich 10.000 Fußballfans aus Liverpool auf engstem Gebiet vor den Drehkreuzen und versuchen, ins Stadion zu gelangen. Gary Burns steckt mitten in der Menschenmenge. "Ich begriff, dass ich mich nicht bewegen konnte. Ich rief nach meinem Freund Geoff, er antwortete mir nicht", erinnert er sich. "Ich konnte nun nicht einmal mehr meine Schultern bewegen."

Ratlos versuchen sich die berittenen Polizisten ihren Weg durch die Menge zu bahnen, vergeblich. Auch Menschen ohne Ticket werden nun in Richtung der Eingänge gedrückt, ohne jede Chance, dem Strom zu entfliehen. Der Anpfiff rückt immer näher, mit der Angst die ersten Spielminuten zu verpassen wächst auch der Druck auf die Tore vor dem Stadion. Um ihn zu mildern, entscheidet sich der verantwortliche Polizeidirektor David Duckenfield, ein Beamter ohne nennenswerte Erfahrung mit solchen Großereignissen, schließlich dazu, das als Ausgang konzipierte "Gate C" zu öffnen. Durch das Gate, das nicht wie ein Eingangstor über Drehkreuze verfügt, gelangen Hunderte Fans in kürzester Zeit ins Stadioninnere. Ein fataler Fehler, während die Teams schon auf dem Platz auflaufen, strömen immer noch Fans auf die Ränge der überfüllten Liverpooler Fankurve.

Gary Burns ist von der Menge in einen langen, engen Tunnel geschoben worden, der die Aufgänge mit den Stehplätzen verbindet. Wie durch einen Flaschenhals drängen immer mehr Menschen von hinten nach. Burns kann nun nicht einmal mehr den Kopf bewegen. Von vorne dringen panische Rufe: "Geht zurück, geht zurück", die Fans im Tunnel brüllen nicht minder verzweifelt zurück: "Wir können nirgendwohin." Die ersten Fans verlieren die Nerven. Eine Frau schreit immer wieder: "Lasst mich raus, lasst mich raus!" Neben Burns bricht ein Junge zusammen. "Seine Augen waren geschlossen, sein Gesicht kalkweiß." Mit letzter Kraft wird das Kind aus der Menge gezogen und über den Köpfen hinausgereicht.

Obwohl die Polizei Bedenken hat, pfeift der Schiedsrichter die Partie pünktlich um 15 Uhr an, die Aufmerksamkeit der Menschenmasse richtet sich nun vollends auf das Spielfeld. "Beardsley hat die Latte getroffen", ruft einer von vorne. Hinten ringen die Menschen um Luft. Fans, die noch außerhalb des Stadions stehen und nicht noch mehr vom Spiel verpassen wollen, drängen nach. Sie merken nicht, welche dramatischen Szenen sich im unteren Teil der Tribüne abspielen. Durch den Druck von oben werden die Menschen gegen Gitter und Zäune gepresst, ringen nach Luft, kämpfen ums Überleben. Der mittlere Block direkt hinter dem Tor, der sogenannte "Pen 3", wird zum Todesblock. Er ist nach links und rechts durch hohe Zäune von den Nachbarblöcken getrennt. In ihm sterben schon kurz nach drei die ersten Fans, aufrecht stehend an Kreislaufversagen oder Atemstillstand inmitten ihrer Freunde.

Bemerkt wird dies zuerst nur von den Fans in direkter Umgebung. Erst als es den ersten Anhängern gelingt über den Zaun auf das Spielfeld zu klettern, wird der Ernst der Lage erkennbar. "Helft uns", rufen Fans über den Zaun zu den Fotografen. Doch die rangeln um den besten Platz für dramatische Motive. Auf Anweisung der Polizei wird das Spiel in der sechsten Spielminute unterbrochen. Schiedsrichter Ray Lewis schickt die Mannschaften in die Kabine. Kenny Daglish, der Trainer des FC Liverpool, erinnert sich: "Wir warteten im Korridor, als plötzlich einige Fans den Kabinengang hinauf gelaufen kamen und riefen: 'Kenny, Kenny, da draußen sterben Menschen!'"

Doch noch immer öffnen Polizisten und Ordner nur Tore im oberen Bereich der Tribüne, die Tore zum Spielfeld bleiben verschlossen, obwohl sogar das Fernsehen die qualvoll verzerrten Gesichter der Anhänger unten am Zaun einfängt. "Bloß kein Platzsturm", lautet die Order, die Masse soll um jeden Preis unter Kontrolle gehalten werden. Während die Fans im oberen Teil der Blöcke schließlich auf die immer noch halbleeren Nebenblöcke ausweichen können, geht das Sterben im unteren Teil des Mittelblocks weiter. Vom Oberrang herab recken sich Hände und ziehen einzelne Anhänger aus dem mörderischen Gedränge nach oben.

Verzweifelte Eltern, unsensible Polizisten

Mittlerweile muss jeder im Stadion begriffen haben, welch tödliche Tragödie sich gerade in Leppings Lane abspielt. "Sie töten uns, sie töten uns!", schreien Fans in den vordersten Reihen Liverpools Keeper Bruce Grobbelaar zu. Der will helfen, rennt zu den Stewards, die heben hilflos die Arme. Bis heute ungeklärt ist, was sich in diesen Minuten in der Kommandozentrale der Polizei abgespielt hat. Der Kontrollraum in Hillsborough verfügte über mehrere Überwachungskameras, die auf Leppings Lane gerichtet waren. Der diensthabende Offizier muss die Tragödie mit angesehen haben, vorausgesetzt, er hielt sich wie vorgeschrieben im Kontrollraum auf.

Gegen 15.30 Uhr muss niemand mehr die Tore öffnen. Der Druck im unteren Teil des Mittelblocks ist zu hoch für den Zaun, die massive Eisenabsperrung knickt unter der Last weg. Nach Atem ringend fallen Menschen auf das Spielfeld, teilweise mit schwersten Quetschverletzungen. Fans leisten ihren Freunden notdürftig erste Hilfe, andere halten Sterbenden in den letzten Minuten die Hand. Einige Anhänger, die einen Verletzten zum Krankenwagen tragen wollen, müssen eine Polizeikette durchbrechen. Für viele kommt jede Hilfe zu spät. 94 Menschen sterben an diesem Tag im Hillsborough-Stadion, 766 erleiden zum Teil schwere Verletzungen. Vier Tage später erliegt der 14-jährige Lee Nicols im Krankenhaus seinen Verletzungen. Die endgültige Opferzahl von 96 wird im März 1993 erreicht, als nach vierjährigem Koma Tony Bland im Alter von 22 Jahren stirbt.

Auch in Liverpool spricht sich an diesem Nachmittag die Katastrophe wie ein Lauffeuer herum. Zehntausende Fans sind nach Sheffield gefahren, lange ist ungewiss, wer die Toten, wer die Verletzten sind. Hunderte Angehörige warten an der Lime Station auf die Züge aus Sheffield. Währenddessen spielen sich im Gymnasium neben dem Stadion in Sheffield erschütternde Szenen ab. Angehörige sollen die Toten identifizieren.

Auch Barry Devonside, der mit seinem Sohn Christopher zum Spiel gefahren ist, wird in die Turnhalle des Stadion geführt, Beamte rollen einen Leichnam in einem Plastiksack heran, Devonside erkennt seinen Sohn. Zeit, um Abschied zu nehmen, bleibt ihm nicht. Sofort geleiten ihn Polizisten an einen Tisch und beginnen ein Gespräch, das Devonside noch heute ein Verhör nennt. Sie fragen, wie viele Pubs man auf dem Weg zum Stadion aufgesucht, wie viel Alkohol man getrunken habe. Sie fragen einen Vater, der gerade seinen Sohn verloren hat.

Später am Abend irrt das Ehepaar Delaney durch die Turnhalle. Sie haben draußen die Polaroid-Fotos der Toten gesehen. Ihren Sohn James haben sie nicht wiedererkannt. Dann sehen sie ihren Sohn auf einer Bahre liegen, in einem grünen Leichensack mit der Nummer 37. "Sein Vater und ich, wir begannen James zu küssen und mit ihm zu sprechen. Sofort kam ein Polizist und versuchte uns, aus der Turnhalle zu drängen", erinnert sie sich. "Ich wurde hysterisch, wie konnte es ein, dass wir die Halle verlassen sollten und unser armer Sohn lag in der Halle, jedermanns Blicken ausgeliefert."

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Es gibt unzählige dieser Geschichten. Von überforderten, unsensiblen Polizisten. Und von Krankenwagen, die viel zu spät in Hillsborough eintrafen. Später am Abend kursiert zum ersten Mal eine Opferzahl. Über 70 Menschen seien gestorben, später heißt es, über 80 Anhänger hätten den Tod gefunden. Schon jetzt ist klar, es ist eine der größten Stadion-Katastrophen der Fußballgeschichte.

Später erfährt die geschockte Nation von anderen grausamen Statistiken: Kaum eines der Opfer ist über 30 Jahre alt, viele von ihnen noch Kinder. Als jüngstes Opfer stirbt Jon-Paul Gilhooley im Alter von nur zehn Jahren. Jon-Pauls Cousin, damals im selben Alter wie er, spielt heute selbst als Profi beim FC Liverpool. Steven Gerrard erzählt in seiner 2006 erschienenen Autobiografie, seine gesamte Karriere sei dem toten Cousin gewidmet. "Er hat Liverpool mit der gleichen Leidenschaft bewundert, wie ich es tue, wenn ich das rote Trikot überstreife." Gilhooleys Name und die der anderen 95 Opfer sind auf dem Denkmal eingraviert, das in Anfield an die Katastrophe erinnert.

Das Denkmal an den Shankly-Gates ist nur das sichtbarste Zeichen der Anteilnahme, die die Einwohner der Stadt Liverpool den Opfern gab. In den Tagen und Wochen nach der Katastrophe verwandeln Anhänger das Stadion an der Anfield Road in einen Schrein. Hunderte, Tausende kommen und knüpfen ihren Schal zum Gedenken an die Opfer an den Stadionzaun. Kenny Daglish: "Liverpool FC war der Mittelpunkt des Lebens von so vielen Leuten, da war es nur natürlich, dass sie alle nach Anfield kamen, um da zu sein, miteinander zu reden. Viele Angehörige kamen zum Stadion, um über Fußball zu reden, um den Spielern zu sagen: Ihr wart seine Idole." In diesen Wochen liegt ein Lied auf den Lippen der Anhänger. Es ist nicht "You'll never walk alone", sondern das von Gerry Marsden spontan neu aufgenommene "Ferry 'cross the Mersey", eine wehmütige Hommage an die Stadt Liverpool und die Beharrungskraft ihrer Einwohner.

Die Spieler des FC Liverpool besuchen in diesen Tagen auch die Schwerverletzten im Krankenhaus. John Barnes wird von Eltern gerufen, in der Hoffnung, die Stimme des Idols könne ihrem Sohn helfen, aus dem Koma zu erwachen. "Ich hielt die Hand des Jungen und redete und redete und redete. Über alles, was mir gerade einfiel, über Fußball und über den Klub, den wir alle lieben." Barnes verlässt tief beeindruckt das Krankenhaus. "Wenn es je nötig war, mich an die Bedeutung des Lebens und der Familie zu erinnern, dann taten es diese Momente im Stadion und im Hospital. Da saßen die Eltern seit dem Samstag bei ihren Kindern, sprachen mit ihnen und beteten, dass sie ihre Augen wieder öffneten. Sie waren so tapfer."

Nur wer diese Tage der Solidarität, der Verbundenheit miterlebt hat, wird die Empörung ermessen können, die ein Artikel im Boulevard-Blatt "The Sun" auslöst. Unter dem infamen Titel "The Truth" - die Wahrheit, veröffentlicht die Zeitung am Mittwoch nach der Katastrophe einen Artikel, der Ungeheuerliches behauptet. Betrunkene Anhänger hätten Rettungskräfte angegriffen, die den Opfern zur Hilfe eilen wollten. Ein totes Mädchen sei missbraucht worden. Liverpool-Anhänger hätten öffentlich auf Polizisten und Leichen uriniert. Autor des Artikels ist Chefredakteur Kelvin McKenzie, der sich auf einen anonymen Polizeibeamten beruft.

Heiliger Zorn gegen "Die Wahrheit" der "Sun"

Die Kampagne der "Sun" versetzt eine ganze Stadt in heiligen Zorn. Zahllose Zeitungshändler weigern sich fortan, die "Sun" zu verkaufen, die Leser boykottieren das Blatt, binnen weniger Wochen fällt die verkaufte Auflage von 240.000 dauerhaft auf 12.000 Exemplare im Großraum Liverpool. Schon bald bezeichnet der sonst bedacht formulierende Presserat den vermeintlichen Scoop McKenzies als "Lügen", was den Journalisten nicht dazu bringt, sich bei den Fans für die Kolportage zu entschuldigen. Zwar gibt er vor einem Ausschuss zu Protokoll, die Berichterstattung über Hillsborough sei ein Fehler gewesen den er bereue, um Jahre später jedoch ungerührt zu verkünden, "Sun"-Besitzer Rupert Murdoch habe ihn damals aus verlagspolitischen Gründen zu diesem Eingeständnis gezwungen. "Ich habe es damals nicht bereut und bereue es bis heute nicht."

Bis heute hat also Kelvin McKenzie keine Rechenschaft abgelegt. Und bis heute begleitet die Katastrophe von Hillsborough das Leben vieler Menschen. Kenny Derbyshire ist einer von ihnen. Er trägt am Kragen eine Anstecknadel des FC Liverpool, seit 1981 hat er eine Dauerkarte an der Anfield Road. Kenny Derbyshire war damals in Sheffield und ist heute Vorsitzender der "Justice for the 96"-Kampagne. Die Organisation wurde kurz nach der Katastrophe gegründet, sie hilft den Hinterbliebenen der Hillsborough-Opfer, dokumentiert die Geschehnisse von damals und kämpft für die Aufarbeitung des Unglücks.

"Bis heute hat niemand Verantwortung für die Katastrophe übernommen", sagt Kenny. "Wir wollen wenigstens einen Verantwortlichen, aber es gab nicht mal eine Entschuldigung." In einem kleinen Laden direkt gegenüber dem Stadion hat die Kampagne Quartier bezogen. Viele Fans kommen vor oder nach dem Spiel vorbei, die meisten spenden etwas und holen sich ein paar Aufkleber ab: "Don't buy The Sun" steht auf ihnen. Die Sun wird noch immer boykottiert, fast 20 Jahre danach. Die Auflage hat sich bis heute nicht erholt. Sicher, inzwischen weiß man, was zu dem Tod von 96 Menschen geführt hat. Die katastrophalen baulichen Zustände im Hillsborough-Stadion mit 23 Drehkreuzen für 24.000 Besucher. Die fatale Entscheidung, zusätzliche Tore zu den Rängen zu öffnen, die jenen unmenschlichen Druck erzeugten, der die Fans ersticken ließ. Das endlose Zögern der Polizei, die Tore zum Spielfeld zu öffnen. Die viel zu spät gerufenen Krankenwagen. Eine schier endlose Kette von Fehlleistungen, für die aber einen Schuldigen auszumachen, selbst den ordentlichen Gerichten schwer fiel.

Nicht einmal den Polizeidirektor David Duckenfield mochten sie verurteilen. Jener Duckenfield, der den Befehl gab, unkontrolliert Fans ins Stadion strömen zu lassen und der sich hätte denken können, was das für die Menschen in den ohnehin schon überfüllten Blöcken bedeuten musste.

Fußballtragödie von Hillsborough (8)

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Hillsborough: Eine Katastrophe die den Fußball für immer veränderte

Foto: Getty Images/David Cannon/Allsport

Die Schockwellen der Hillsborough-Katastrophe blieben nicht auf Liverpool, nicht auf England beschränkt. Kein Ereignis hat den Fußball in ganz Europa so nachhaltig verändert wie der 15. April 1989. Schon zwei Tage nach der Tragödie hatte Home Secretary Douglas Hurd angekündigt, ein Gesetz zu verabschieden, das alle Erstligaklubs dazu zwingen würde, die Stehplätze aus ihren Stadien zu verbannen. Und wie bestellt, veröffentlichte einige Jahre später eine Kommission unter der Leitung von Lord Taylor of Gosforth einen Bericht, der 78 Maßnahmen vorsah, um eine Katastrophe wie Hillsborough künftig unmöglich zu machen.

Die Beseitigung von gefährlichen Begrenzungszäunen gehörte ebenso dazu wie die bessere Kontrolle des Ticketverkaufs an Gästefans. Vor allem aber empfahl die Taylor-Kommission wie schon Douglas Hurd, die Stadien aller großen Vereine in reine Sitzplatzstadien umzuwandeln. Einen Vorschlag, den die englische "Football League" rasch aufnahm und zur zwingenden Voraussetzung für die Erstligateilnahme machte.

Viele Vereine bauten daraufhin ihre Stadien um, einige auch schon, bevor die Vorschriften in Kraft traten. Es kam ihnen dabei zupass, dass reine Sitzplatzstadien deutlich höhere Einnahmen versprachen. Wenige Zeit später übernahmen auch der Weltverband FIFA und der europäische Verband UEFA diese Regelungen, weshalb heute auch in deutschen Stadien bei internationalen Spielen ausschließlich Sitzplätze zugelassen sind.

Wenn man so will, war die Katastrophe von Hillsborough die Geburtsstunde der modernen Hochglanzarenen. Sie sorgte, Ironie der Geschichte, auch dafür, dass die wohl stimmungsvollste Stehtribüne Europas, der Kop in Anfield, 1992 in eine Sitzplatztribüne ungewandelt wurde.

So sehr sich viele englische Anhänger die Rückkehr der großen Stehterrassen wünschen, so entschieden wehren sich die Angehörigen der Opfer dagegen. Viele Eltern, aber auch viele Fans, die damals verletzt der Hölle von Hillsborough entkamen, sind bis heute traumatisiert, leiden unter Schlaflosigkeit und Panikattacken.

Gary Burns kann bis heute den Monat April nicht gedruckt und geschrieben sehen, nicht einmal als Haltbarkeitsdatum auf der Milch, nicht einmal als Datumsangabe auf der Zeitung, ohne sich zu erinnern. An den Druck, die Enge, die Schreie, die Toten. "Im April beginnt der Frühling", sagt Burns, "in der Natur zeigt sich neues Leben, für mich aber ist der April kälter und dunkler als jeder Wintermonat." Die Katastrophe hat die Menschen und den Fußball verändert.

Im Wappen des FC Liverpool wurden zu Ehren der Opfer zwei Flammen hinzugefügt, vor dem Denkmal am Anfield-Road-Stadion liegen, auch so viele Jahre nach der Katastrophe, jeden Tag noch frische Blumen und Fanschals aus aller Welt. Im April 2009, zur 20. Trauerfeier, gab es einen besonderen Gottesdienst. Es wurden noch einmal die Namen der getöteten Fans verlesen: John Anderson (62), Colin Ashcroft (19), James Aspinall (18). Kester Ball (16), Gerard Baron (67), Simon Bell (17), Barry Bennett (26). David Benson (22), David William Birtle (22), Tony Bland (22), Paul Brady (21), Andrew Brookes (26), Carl Brown (18), David Brown (25), Henry Burke (47), Peter Burkett (24), Paul Carlile (19), Raymond Chapman (50), Gary Church (19), Joseph Clark (29), Paul Clark (18), Gary Collins (22), Stephen Copoc (20), Tracey Elizabeth Cox (23), James Delaney (19), Christopher Devonside (18), Christopher Edwards (29), Vincent Fitzsimmons (34), Thomas Fox (21), Jon-Paul Gilhooley (10), Barry Glover (27), Ian Glover (20), Derrick Godwin (24), Roy Hamilton (34), Philip Hammond (14), Eric Hankin (33), Gary Harrison (27), Stephen Harrison (31), Peter Harrison (15), David Hawley (39),James Hennessy (29), Paul Hewitson (26), Carl Hewitt (17), Nicholas Hewitt (16), Sarah Louise Hicks (19), Victoria Jane Hicks (15), Gordon Rodney Horn (20), Arthur Horrocks (41), Thomas Howard (39), Thomas Howard (14), Eric Hughes (42), Alan Johnston (29). Christine Jones (27), Gary Jones (18), Richard Jones (25), Nicholas Joynes (27), Anthony Kelly (29), Michael David Kelly (38), Carl Lewis (18), David Mather (19), Brian Mathews (38), Francis McAllister (27), John McBrien (18), Marion McCabe (21), Joseph Daniel McCarthy (21), Peter McDonnell (21), Alan McGlone (28), Keith McGrath (17), Paul Murray (14), Lee Nicol (14), Stephen Francis O'Neill (17), Jonathon Owens (18), William Pemberton (23), Carl Rimmer (21), David Rimmer (38), Graham Roberts (24), Steven Robinson (17), Henry Rogers (17), Colin Sefton (23), Inger Shah (38), Paula Smith (26), Adam Spearritt (14), Philip Steele (15), David Thomas (23), Patrik Thompson (35), Peter Thompson (30), Stuart Thompson (17), Peter Tootle (21), Christopher Traynor (26), Martin Traynor (16), Kevin Tyrrell (15), Colin Wafer (19), Ian Whelan (19), Martin Wild (29), Kevin Williams (15), Graham Wright (17).

Sie starben am 15. April 1989, bloß weil sie ein Fußballspiel sehen wollten.

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